Bei der Gurtpflicht scheiden sich die Geister in der Oldtimerszene: Die einen betrachten Sicherheitsgurte bei älteren Oldtimern als störend, die anderen wollen sie unbedingt im Fahrzeug verbauen, auch wenn sie zur Bauzeit des Fahrzeugs noch nicht serienmäßig an Bord oder vielleicht noch nicht mal patentiert waren. Wir nähern uns dem Thema.
Die Gurtpflicht bei Oldtimern
Die Frage nach der Gurtpflicht in Oldtimern ist ein klassisches Spannungsfeld zwischen historischer Originalität und modernen Sicherheitsanforderungen. Grundsätzlich gelten für Oldtimer in Deutschland Ausnahmeregelungen, die den sogenannten Bestandsschutz berücksichtigen und damit die Möglichkeit schaffen, in älteren Fahrzeugen grundsätzlich auch ohne Gurt unterwegs zu sein.
Die Rechtslage: Wann gilt die Gurtpflicht im Oldtimer?
Die allgemeine Gurtpflicht wurde in Deutschland stufenweise eingeführt, beginnend mit den Vordersitzen (Pflicht zum Einbau ab 1974, Anschnallpflicht ab 1976 mit Bußgeld ab 1984). Für Fahrzeuge, die vor diesen Stichtagen erstmals zugelassen wurden und ab Werk keine Gurte besaßen, besteht keine Nachrüstpflicht. Oldtimer, die die Kriterien der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (§ 2 Nr. 22 FZV) erfüllen – also mindestens 30 Jahre alt, weitestgehend im Originalzustand und der Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturguts dienend – dürfen daher heute oft ohne Sicherheitsgurte gefahren werden.
Die generelle Gurtpflicht in Deutschland ist unumstößlich. Sie steht in § 21a der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Der Gesetzgeber schreibt vor, dass Insassen eines Kraftfahrzeugs während der Fahrt die vorgeschriebenen Sicherheitsgurte anlegen müssen. Im Gesetzestext findet man wörtlich:
Vorgeschriebene Sicherheitsgurte müssen während der Fahrt angelegt sein [...]
Der entscheidende Punkt für uns Oldtimer-Fahrer ist jedoch die Ausnahme, die in den Ausnahme- / Übergangsvorschriften Einzug gefunden hat. Die Faustregel, die du dir merken musst, lautet:
Die Gurtpflicht im Oldtimer gilt nur, wenn das Fahrzeug ab Werk (oder aufgrund einer Nachrüstungspflicht) mit Gurten ausgerüstet ist.
Ist dein Wagen nicht mit Gurten ausgestattet und war dies zum Zeitpunkt seiner Erstzulassung auch nicht vorgeschrieben, entfällt für dich die Anlegepflicht. Näheres hierzu im späteren Absatz zur Anschnallpflicht.
Das alles klingt einfach, ist es aber nur, wenn du die genauen Stichtage kennst und so auf dein Fahrzeug anwenden kannst.
Die Stichtagsregelung: Ein Blick ins Gesetzbuch
Deutschland hat die Gurtpflicht schrittweise eingeführt. Für dich als Oldtimer-Besitzer sind hauptsächlich diese vier Daten entscheidend:
1. Fahrzeuge mit Erstzulassung VOR dem 1. April 1970
- Rechtslage: Vor diesem Datum gab es keine Vorschrift für die Ausrüstung von Pkw-Vordersitzen mit Sicherheitsgurten.
- Deine Konsequenz: Wenn dein Oldie vor diesem Stichtag zugelassen wurde und keine Gurte verbaut sind, musst (und kannst) du dich nicht anschnallen.
- Wichtig: Wurde das Fahrzeug später freiwillig mit Gurten nachgerüstet (was viele getan haben), gilt ab dem Moment des Einbaus auch die Gurtpflicht, da Gurte vorhanden sind!
2. Fahrzeuge mit Erstzulassung ZWISCHEN dem 1. April 1970 und dem 31. Dezember 1973
- Rechtslage: Ab dem 1. April 1970 mussten Befestigungspunkte für Sicherheitsgurte auf den Vordersitzen vorhanden sein. Hersteller lieferten die Gurte oft als Sonderausstattung oder der Einbau erfolgte nachträglich durch den Händler. Die Gurtpflicht (die Anlegepflicht) trat aber erst später in Kraft.
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Deine Konsequenz: Wenn die Gurte in deinem Wagen vorhanden sind (egal ob ab Werk oder nachgerüstet), musst du sie anlegen. Sind keine Gurte vorhanden, entfällt die Pflicht. Die Lage ist demnach analog zur ersten Gruppe.
3. Fahrzeuge mit Erstzulassung AB dem 1. Januar 1974
- Rechtslage: Ab diesem Tag wurde der Einbau von Sicherheitsgurten auf den Vordersitzen zwingend vorgeschrieben. Dies markiert den Beginn der faktischen Gurtpflicht für alle Neuwagen.
- Deine Konsequenz: Gehört dein Fahrzeug in diese Ära, sind Gurte vorhanden und du musst dich anschnallen. Im Rahmen z.B. einer Restauration kommst du auch nicht um die Instandsetzung der Sicherheitsgurte herum.
4. Neufahrzeuge mit Erstzulassung AB dem 1. Mai 1979
- Rechtslage: Die Einbaupflicht für Sicherheitsgurte auf den Rücksitzen von neu zugelassenen Personenkraftwagen in der Bundesrepublik Deutschland trat in Kraft.
- Deine Konsequenz: Ab nun müssen zumindest Beckengurte auf der Rücksitzbank verbaut sein und von Passagieren entsprechend genutzt werden.
Die Anschnallpflicht
Ob Gurte vorhanden sind, wirkt sich, wie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, direkt auf die Anschnallpflicht aus. Kurz gesagt heißt das, dass man sich anschnallen muss, sobald Gurte vorhanden sind. Hier im Detail:
- Keine Gurte vorhanden: Sind keine Gurte vorhanden, besteht auch keine Anschnallpflicht. Eine Nachrüstung ist zur Erhaltung des Originalzustands oder des H-Kennzeichens nicht zwingend erforderlich.
- Gurte vorhanden: Wurden Gurte nachträglich eingebaut oder waren sie bereits im Originalzustand vorhanden, müssen sie zwingend benutzt werden.
- Kinderbeförderung: Hier greifen strenge Regelungen. Kinder unter drei Jahren dürfen in Fahrzeugen ohne Gurte nicht befördert werden. Für ältere, kleinere Kinder gelten ebenfalls Einschränkungen, die den Einsatz von geeigneten Kinderrückhaltesystemen erfordern, wofür Gurte nötig sind.
Nachrüsten: Der ewige Kampf zwischen Sicherheit und Originalität
Hand aufs Herz: Ist es wirklich klug, auf den Schutz zu verzichten? Ist es die Originalität im Fall der Fälle wert, die eigene Sicherheit und die der Fahrgäste nicht besser zu schützen?
Hier beginnt die philosophische Diskussion in der Szene, aus der sich natürlich Argumente für und gegen die Nachrüstung ergeben. Im Folgenden gelistet sind jeweils mehrere:
Argumente FÜR die Nachrüstung (Sicherheit geht vor)
- Reiner Selbstschutz: Bei einem Unfall sind Gurte der effektivste Lebensretter. Selbst bei geringer Geschwindigkeit können Insassen ohne Gurt schwerste, oft tödliche Verletzungen durch den Aufprall auf Lenkrad, Armaturenbrett oder Windschutzscheibe erleiden (Stichwort: Sekundärkollision).
- Schutz weiterer Insassen: Neben dem Fahrer befinden sich mitunter weitere Insassen im Oldtimer, die in gleicher Weise als Folge eines Aufpralls zu Schaden kommen können. Bei einer Kollision können ungesicherte Insassen zudem zu unkontrollierten Geschossen werden und so andere Mitfahrer zusätzlich schwer verletzen.
- Verkehrsrealität: Dein Oldtimer mag langsam beschleunigen, aber im modernen Verkehr wirst du von Autos umgeben sein, die schnell beschleunigen und bremsen. Das Risiko, in einen Unfall verwickelt zu werden, bleibt hoch.
- Kindersicherung: Wie oben beschrieben, ist eine sichere Beförderung von Kindern ohne Gurte kaum möglich.
Argumente GEGEN die Nachrüstung (Originalität und H-Kennzeichen)
- H-Kennzeichen: Grundsätzlich steht die Nachrüstung von Gurten dem Erhalt des H-Kennzeichens nicht entgegen, sofern sie zeitgenössisch oder im Rahmen der Verkehrssicherheit sinnvoll ist. Wichtig ist nur, dass die Originalität des Fahrzeugs gewahrt bleibt und keine groben, irreversiblen Eingriffe erfolgen.
- Optik: Ein modernes Gurtband oder unschöne Befestigungspunkte können die Ästhetik des Interieurs empfindlich stören.
- Einbauproblematik: Viele ältere Fahrzeuge haben keine werksseitig verstärkten Befestigungspunkte. Ein professioneller, sicherer Einbau erfordert oft eine Verstärkung der Karosserie, die teuer und aufwendig ist.
- Bequemlichkeit: Das Argument der Bequemlichkeit oder Gewohnheit wird von Gurtpflicht-Gegnern oft angeführt, sollte jedoch angesichts des Sicherheitsgewinns nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Worauf du beim Nachrüsten achten musst
Entscheidest du dich für die Nachrüstung, darfst du nicht einfach irgendwelche Gurte aus dem Baumarkt nehmen. Es gibt entscheidende Punkte, die über deine Sicherheit entscheiden:
- Prüfzeichen: Die Gurte müssen ein ECE-Prüfzeichen besitzen und damit den europäischen Sicherheitsnormen entsprechen.
- Befestigungspunkte: Die Verankerung der Gurte muss den technischen Anforderungen entsprechen. Im Idealfall nutzt du vorhandene, verstärkte Punkte, wie sie in den 70er Jahren oft schon vorbereitet wurden. Sind diese nicht vorhanden, muss die Karosserie an den Befestigungspunkten fachmännisch verstärkt werden, um die enormen Kräfte bei einem Aufprall (mehrere Tonnen) aufnehmen zu können.
- Eintragung: Lass die Nachrüstung unbedingt von einem anerkannten Sachverständigen (TÜV, Dekra etc.) prüfen und in die Fahrzeugpapiere eintragen. Das stellt sicher, dass die Montage den Vorschriften entspricht und du im Falle eines Unfalls versicherungstechnisch auf der sicheren Seite bist.
Fazit: Sicherheit vs. Originalität – Eine Abwägung
Die Frage nach der Gurtpflicht bei Oldtimern bleibt ein individueller Balanceakt zwischen den gesetzlichen Bestimmungen und den persönlichen Prioritäten. Rechtlich gilt die Faustregel: Ist der Oldtimer ab Werk oder durch eine Nachrüstpflicht mit Gurten ausgestattet, müssen diese genutzt werden. Entfällt diese Pflicht aufgrund des Erstzulassungsdatums (insbesondere vor 1974), besteht weiterhin die Wahlfreiheit.
Wer sich für eine Nachrüstung entscheidet, gewinnt ein signifikantes Plus an Sicherheit für sich und seine Mitfahrer, insbesondere im modernen Straßenverkehr und bei der Beförderung von Kindern. Wer hingegen auf die Nachrüstung verzichtet, bewahrt die historische Originalität und Ästhetik des Interieurs.
Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang Sicherheitsgurte nachgerüstet werden, liegt letztlich im Ermessen jedes einzelnen Oldtimer-Besitzers, immer unter Berücksichtigung der technischen und zulassungsrechtlichen Anforderungen.
Unabhängig von der Gurtpflicht: Gesetzliche Vorschriften und persönliche Sicherheit gehen Hand in Hand. Stelle sicher, dass dein Oldtimer für jede Situation gerüstet ist. In unserem Shop findest du Warnwesten für Kinder und Erwachsene, Warndreiecke und alles, was sich um das Oldtimerhobby abspielt.
