Manchmal findet man das Wunschfahrzeug nicht in Deutschland, sondern im Ausland. In Teil III betrachten wir kulturelle Eigenarten und die Besonderheiten bei Besichtigung und Kauf eines Oldtimers im EU-Ausland.
Oldtimer-Import aus Ländern innerhalb der EU - TEIL III: Erfolgreich besichtigen und verhandeln
Du hast ein klares Bild, welche Kosten auf dich zukommen können und welche Vorteile die Suche im EU-Ausland bringen kann? Dann geht es jetzt einen Schritt weiter und wir starten die konkrete Suche und Kontaktaufnahme mit den Verkäufern. In Teil 3 betrachten wir den Kaufprozess selbst und die Schwierigkeiten, die du kennen und mit denen du rechnen solltest.
Vorbereitung als das A und O
Wie in so vielen Bereichen gilt: Eine gute Vorbereitung ist viel wert. Denk daran: Deine Anreise kann, abhängig von den Umständen, hohe Kosten und Aufwand mit sich bringen und das unabhängig davon, ob du letztlich zuschlägst oder nicht. Es gilt deshalb, möglichst alle Unklarheiten schon vor der konkreten Planung zu beseitigen.
Andere Länder, andere Sitten
Das Sprichwort "Andere Länder, andere Sitten" kennt jeder. Doch wie genau muss es beim Oldtimerkauf verstanden werden? Welche Barrieren sollte ich kennen und beachten, um Frust zu vermeiden?
Fremdsprachen und Sprachbarrieren
Die ganz klar offensichtlichste Barriere kann die Sprache darstellen. Hat man als deutscher Interessent vielleicht noch das Glück, mit Österreichern eine gemeinsame Sprachbasis zu besitzen, so wird es teils schon schwer, sobald man die anderen Grenzen übertritt. Nur ein kleiner Teil der gesamteuropäischen Bevölkerung kann Deutsch sprechen und längst nicht alle Englisch in einem Sprachniveau, auf dem es ihnen angenehm ist, zu kommunizieren. In einigen europäischen Sprachräumen ist es darum schwierig, ohne eine gemeinsame Grundlage zu agieren. Dem Problem kann auf verschiedene Weisen entgegengewirkt werden:
- Stelle möglichst alle Fragen im Voraus und kläre sie für ein bestmögliches Bild vom Oldtimer und vom Hintergrund des Verkaufs.
- Finde einen Dolmetscher auf Käufer- oder Verkäuferseite, der eine ausreichend gute Kommunikation herstellen kann. Das funktioniert auch telefonisch, am besten jedoch vor Ort. Helfen kann oft schon z. B. ein Kind oder ein Nachbar des Verkäufers.
- Engagiere einen professionellen Dolmetscher vor Ort oder einen Video- oder Telefondolmetscher (Remote-Dolmetscher): Wenn sich der finanzielle Aufwand für dich rechnet, kannst du dich auch um entsprechende professionelle Hilfe bemühen.
- Nutze moderne Technik: Heute möglich und unbedingt empfehlenswert sind Funktionen der modernen Technik. Darunter fallen:
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- Foto-Übersetzung (Kamera-Funktion): Zur Übersetzung von Dokumenten (Zulassungsdokumente, Rechnungen und weitere Dokumentation) mit dem Smartphone und einer entsprechenden App (z. B. Google Übersetzer)
- Übersetzer-Apps mit Sprachausgabe (Echtzeit-Dolmetschen): Sprich in dein Smartphone, die App (z. B. Google Übersetzer oder Microsoft Translator) übersetzt den Satz sofort und gibt ihn in der Zielsprache für deinen Gesprächspartner wieder aus. Dies eignet sich hervorragend für kurze Fragen bei der Besichtigung und Verhandlung. Tipp: Achte darauf, die benötigte Sprachdatei vorab herunterzuladen, falls vor Ort keine stabile Internetverbindung vorhanden ist (Offline-Modus).
- KI-gestützte Textübersetzung für Dokumente: Insbesondere zur Übersetzung von Texten, der Anzeige, E-Mails usw. im Vorlauf der Besichtigung geeignet. Tools wie DeepL helfen bei der schriftlichen Kommunikation (Lesen und Schreiben).
Hinweis: Führe die wichtige Korrespondenz (z. B. Zustandserklärungen, vereinbarte Preise) nach Möglichkeit immer schriftlich per E-Mail oder Messenger durch, um Missverständnisse zu vermeiden und später einen Nachweis zu haben.
Zustandsbeschreibungen
Was in einem Land als "restauriert" gilt, kann in einem anderen Land nur eine oberflächliche Überarbeitung stehen. Die Qualitätsstandards bei Karosseriearbeiten oder Motorrevisionen sind nicht überall gleich. Ein Zustand liegt so meist "Auge des Betrachters" und variiert darüber hinaus im nationalen Verständnis.
Das Klima des Herkunftslandes (z. B. trockene Regionen im spanischen Hinterland ggü. salzhaltiger, feuchter Luft an der rauen Nordseeküste) hat massive Auswirkungen auf den Zustand des Fahrzeugs, insbesondere im Hinblick auf Rostvorsorge und -schäden. Möglicherweise zeigen sich dir Schadbilder, die du aus dem deutschen Heimatland so nicht kennst. Ein Beispiel: Die hohe UV-Belastung in Südeuropa führt oft zu stark ausgeblichenem Lack und spröden Gummis.
Verhandlungskultur und Kommunikationsstil
Der Verkäuferumgang wird stark von lokalen Gepflogenheiten und der Verhandlungskultur beeinflusst:
Verhandlungskultur
In südeuropäischen oder osteuropäischen Ländern ist das ausgiebige Feilschen oft ein erwarteter Teil des Geschäfts. Ein zu schnelles Akzeptieren des Preises kann dort als naiv oder ungewöhnlich empfunden werden. Beginne mit einem realistischen Gegenangebot.
In nord- und westeuropäischen Ländern kann die Verhandlung sachlicher und straffer ablaufen; hier wird der Preis oft als verbindlicher angesehen. Dennoch ist eine Verhandlung auf Basis dokumentierter Mängel und der Gesamtkosten immer legitim.
Kommunikationsstil
Sei dir bewusst, dass die Direktheit, die in Deutschland geschätzt wird, in manchen Kulturen als unhöflich empfunden werden kann. Ein freundlicher, geduldiger und respektvoller Ton ist essenziell, um Vertrauen aufzubauen. Stelle dich auf die Gepflogenheiten der Gegenseite ein. Setze z. B. den finalen Besichtigungstag kooperativ mit dem Verkäufer fest und setze ihn nicht unter Druck.
Zeitempfinden
Rechne damit, dass Termine und der gesamte Ablauf flexibler gehandhabt werden können als gewohnt. Plane immer Pufferzeiten für Besichtigungen und Formalitäten ein und erlaube den Gastgebern, ihrem weit angereisten Besuch etwas Gastfreundschaft entgegenzubringen. Setze weder dich noch die Verkäuferseite unter Zeitdruck.
Vertragliches: Privatkauf vs. Händler
Wie in Deutschland, so in anderen Ländern: Es gibt spezialisierte Händler, Händler, die einen Klassiker nur beiläufig in ihren Bestand aufgenommen haben und Privatverkäufer. Der Kauf beim Händler hat Vorzüge und Nachteile - ganz genau wie der Privatkauf. Was sich im Vergleich zum heimischen Markt (im EU-Rahmen geringfügig) unterscheiden kann, sind die rechtlichen Ausgestaltungen, das heißt die Rechte für dich als Käufer.
Kauf von privat
Der Kauf eines Oldtimers von einer Privatperson im EU-Ausland ähnelt dem in Deutschland, hat aber spezifische Tücken, insbesondere hinsichtlich des anwendbaren Rechts.
Rechte und Pflichten: Gewährleistungsausschluss
Im Grundsatz ist wie in Deutschland der Gewährleistungsausschluss (Sachmängelhaftung) bei privaten Verkäufern in der EU verbreitet und grundsätzlich zulässig.
- Anwendbares Recht: Sofern im Kaufvertrag keine andere Rechtswahl getroffen wurde, gilt das Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das bedeutet: die rechtliche Durchsetzung von Ansprüchen (z. B. wegen arglistiger Täuschung) richtet sich nach den Gesetzen des Verkäuferlandes und kann kompliziert und kostenintensiv sein.
- Unterschied zum Kauf beim Händler: Als wichtigster Unterschied zum Händlerkauf gilt: beim Privatkauf haftet der Verkäufer in der Regel nur für zugesicherte Eigenschaften oder wenn er Mängel arglistig verschwiegen hat. Das Risiko für unerkannte Mängel liegt primär beim Käufer. Man spricht von "gekauft wie gesehen".
Absicherung und sorgfältige Prüfung
Die gewissenhafte Durchführung von Besichtigung und Vertragsabschluss sind essenziell, um spätere Komplikationen zu vermeiden.
- Vertragssprache: Schließe den Vertrag möglichst zweisprachig ab (z. B. in Landessprache und Deutsch/Englisch) und vereinbare auch, welche Sprachfassung im Zweifel maßgeblich ist.
- Dokumentation: Gründliche Prüfung der Fahrzeugpapiere (Eigentumsnachweis!), der Historie und ggf. des Verwaltungsstatuszertifikats (falls im Land üblich, z. B. in Frankreich), um sicherzustellen, dass das Fahrzeug unbelastet ist und frei verkauft werden darf.
- Zustand und Wert: Unverzichtbar ist eine detaillierte Besichtigung und idealerweise ein Ankaufgutachten durch einen unabhängigen Sachverständigen vor Ort, um den Zustand umfassend zu dokumentieren und spätere Diskussionen zu vermeiden.
- Mehrwertsteuer/Zoll: Beim Kauf von privat innerhalb der EU fällt keine zusätzliche Mehrwertsteuer an.
Händler in ganz Europa
Der Kauf bei einem gewerblichen Händler (Verbrauchsgüterkauf) bietet in der Regel einen besseren Käuferschutz als der Privatkauf, da die EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in allen Mitgliedstaaten gilt.
Gesetzliche Gewährleistung (Sachmängelhaftung)
Der große Unterschied zum Kauf aus privater Hand - und aus Deutschland bereits bekannt - ist die Anwendung der Richtlinien zur Sachmängelhaftung.
- EU-Standard: In allen EU-Ländern ist der Händler gesetzlich zur Gewährleistung verpflichtet.
- Fristen: Für Gebrauchtfahrzeuge (dazu gehören natürlich auch Oldtimer) kann die gesetzliche Gewährleistungsfrist auf mindestens ein Jahr verkürzt werden, wenn dies vertraglich vereinbart wird. Ein vollständiger Ausschluss der Gewährleistung ist gegenüber privaten Käufern (Verbrauchern) unzulässig.
- Beweislastumkehr: Innerhalb einer ersten Teilzeit nach Übergabe (länderspezifisch) wird vermutet, dass ein auftretender Mangel bereits bei der Übergabe vorhanden war (Beweislastumkehr). Dies ist ein großer Vorteil gegenüber dem Privatkauf.
- Rechtsbehelfe: Bei Mängeln hast du das Recht auf Nacherfüllung, Minderung des Kaufpreises oder Rücktritt vom Vertrag.
Taktische Überlegungen und das Vorgehen vor der Besichtigung
Wissen ist Macht
Mach dir im Voraus ein Bild von deinem Wunschfahrzeug. Je mehr du weißt, umso besser kannst du den für dich angemessenen Wert bestimmen. Möglicherweise kannst du durch die gezielte Suche gar mehr zu einem einzelnen Klassiker in Erfahrung bringen, als es der noch aktuelle Besitzer weiß. Vielleicht sind in Markenclubs oder Archiven Aufzeichnungen zur Fahrgestellnummer hinterlegt oder Unfälle oder Restaurationen aus der Vergangenheit bekannt. Sammle alles, was dir vor oder bei der Besichtigung sowie im Verkaufsgespräch helfen könnte, nutze das gesammelte Wissen allerdings gezielt und taktisch klug.
Anreise kommunizieren (mit Anhänger etc.)
Es könnte sich lohnen, nicht zu offen mit den Informationen zu deiner Person, zur Anreise oder zur allgemeinen Situation umzugehen. Vielleicht ist es sinnvoll, dem Verkäufer nicht direkt mitzuteilen, dass du einen Transportanhänger oder einen Mechaniker im Schlepptau hast und welchen Aufwand du extra und alleinig für die Anreise betrieben hast. Auch die Schwierigkeiten, einen solchen Oldtimer in Deutschland zu erhalten, müssen nicht zwangsweise breitgetreten werden. "Kaufdruck" in dieser Form wird von Verkäufern teilweise genutzt, um bei Preisverhandlungen hart zu bleiben. Bleib trotzdem aufrichtig und ehrlich, um dein Gesicht auch dann zu wahren, wenn die Situation offenliegt. Die gemeinsame Basis bleibt ein ehrliches Verhältnis.
Emotionen unterdrücken
Der Kauf eines Oldtimers ist in den allermeisten Fällen eine Herzensangelegenheit. Hier liegt jedoch die größte psychologische Falle, die du beim Kauf umgehen musst: Emotionen machen blind. Lasse sie für die Dauer der Besichtigung und Verkaufsverhandlungen außen vor. Setze dir einen Maximalpreis, mache dir klar, welche Mängel du akzeptieren könntest und welche nicht. Das und die weiteren Fragestellungen helfen, Fehler zu vermeiden.
In Hinsicht auf die in Kapitel 2 erläuterten Kosten möchten wir diesen Ratgeber mit dem Hinweis auf die sogenannten "Sunk Costs" ("Versunkene Kosten"), die in der ökonomischen Lehre eine große Bekanntheit besitzen, abschließen. Sunk Costs sind demnach:
"[...] Kosten, die bereits angefallen sind und nicht rückgängig gemacht werden können. Diese Kosten dürfen [...] entgegen persönlicher Empfindungen nicht berücksichtigt werden."
Einfach ausgedrückt bedeutet das: Alle Kosten, die du für die Besichtigung aufgewandt hast, sind für die Entscheidungsfindung irrelevant und rechtfertigen keinen schlechten Kauf vor Ort. Wir empfehlen, diesen Grundsatz zwingend zu berücksichtigen.
Fazit: Nicht abschrecken lassen
Der Kauf im EU-Ausland birgt einige Tücken und Schwierigkeiten, ist andererseits aber ein großartiges Erlebnis, wenn er erfolgreich verläuft. Lass dich nicht abschrecken von den etwaigen Schwierigkeiten. Meist finden sich Wege.
Welche Geschichte hast du zum Kauf eines Oldtimers im EU-Auland erlebt? Hinterlasse uns einen Kommentar mit deiner Story!
