Für manche mag es nur ein Stück Blech sein. Für mich und viele andere ist ein Oldtimer aber so viel mehr: ein lang gehegter Traum, ein Stück gelebte Freiheit. Die wahre Faszination liegt nicht unbedingt in Preis oder Alter des Klassikers. Ob er 30 oder 110 Jahre alt ist, muss keine Rolle spielen. Es ist die reine Freude beim Fahren oder Anschauen, die unvergesslichen Erlebnisse und die unzähligen Gespräche mit Fremden, die eine Brücke zwischen mir und meiner Umwelt bauen. Das habe ich mit meinem ersten eigenen fahrtüchtigen Oldtimer, einer Renault Dauphine, erlebt und danach mit jedem weiteren meiner Klassiker. Hier geht es um einen speziellen kleinen Sportwagen mit Wespentaille und ohne Scheiben und Türen:
Wenn ich in meiner Garage stehe und mein Blick über die Linien meines Oldtimers gleitet, sehe ich nicht nur ein altes Auto. Ich sehe ein lebendiges Stück Geschichte. Eine Geschichte, die lange vor mir begann – in diesem Fall sogar, bevor meine Eltern geboren wurden. Ich frage mich, wer der erste Besitzer war, wie er es nutzte und mit welchem Gefühl er es gekauft und später verkauft hat. Was ich weiß ist, dass der Erstbesitzer irgendwann im Jahr 1954 seine Bestellung erhielt: Ein Gitterrohrrahmen, aus Aluminium gedengelte Karosserieteile, modifizierte Fahrzeugkomponenten. Nach britischer Manier war ein Bausatz verkauft worden, der vom Käufer fertiggestellt werden musste. Wie er an die weiteren Komponenten, z.B. den Motor oder das Getriebe, gelangte kann heute nicht mehr nachvollzogen werden. Und doch, er hat es geschafft das Auto im März des Jahres 1955 zuzulassen. Das Auto war fahrbereit und als kompromissloser Rennwagen mit Straßenzulassung dafür gemacht, in der prosperierenden Motorsportszene Englands teilzuhaben. Ein Lotus, noch bevor die Marke die große Motorsport-Bühne in Form der 24 Stunden von Le Mans (im Juni 1955) und der Formel 1 (1958) betrat.
Es begann ein bewegtes Autoleben, der Lotus wechselte vielfach den Besitzer. Er wurde gefahren bis er nicht mehr fahren konnte, repariert, gefahren, dann restauriert. In den 1990er Jahren erhielt er die grüne Lackierung, die sein Karosseriekleid noch immer ziert. Der Umgang mit ihm in heutigen Zeiten ist sicherlich ein freundlicherer, als der, den er in jungen Jahren erlebte. Die Fahrzeuge, die einst die Straße mit ihm teilten sind größtenteils schon lange verschrottet. Straßen, die er befuhr sind nicht mehr wiederzuerkennen und auch die Häuserzeilen an denen er vorbeibrauste haben sich im Erscheinungsbild gewandelt. Was blieb ist dieses Auto. Die Geschichte meines Fahrzeuges wird sich hoffentlich weiterschreiben, wenn ich mich um dieses Fahrzeug nicht mehr kümmern kann. Denn es ist ein Stück unwiederbringliche Geschichte aus einer anderen Zeit.
Es ist mehr als die reine Technik, die mich von A nach B bringt; es ist die Seele, die in jedem Knistern und jedem Geruch spürbar wird. Jede Fahrt in meinem Oldtimer ist eine bewusste Entscheidung gegen die Hektik des Alltags. Es gibt keine Ablenkung und keinen Zeitdruck. Es gibt nur das pure, unverfälschte Fahrgefühl, eine Einheit zwischen Mensch und Maschine. Und genau das ist es, was er mir bedeutet: In einer Welt, die immer schneller und austauschbarer wird, ist er mein Anker. Ein Stück Vergangenheit, das fest in der Gegenwart steht und mir zeigt, dass die schönsten Dinge nicht neu und perfekt sein müssen. Sie müssen nur eine Seele haben.
Vielleicht hast auch du eine besondere Beziehung zu deinem Oldtimer oder dein Fahrzeug eine ganz besondere Geschichte, die es verdient, erzählt zu werden. Welcher Oldie hat dein Herz erobert und welche Abenteuer hast du mit ihm erlebt? Wir möchten deine persönlichen Erinnerungen und die Seele deines Autos kennenlernen. Schreib uns eine Mail und teile deine Geschichte mit unserer Community oder hinterlasse hier einen Kommentar. Wir freuen uns darauf!