Oldtimer-Szene

Mythos Scheunenfund: Vergessene Oldtimer

Scheunenfunde beflügeln die Fantasie der Liebhaber von Oldtimern auf der ganzen Welt. Jeder, der sich ernsthaft mit einer Restauration befassen würde, träumt davon, einen vergessenen Schatz zu heben und ein solches Fahrzeug als Basis nutzen zu können. Doch was versteht man eigentlich unter einem Scheunenfund, wie sieht die Realität aus und welches sind bekanntesten Scheunenfunde der Oldtimer-Szene?

Bild eines mit einer dicken Staubschicht bedeckten Alfa Romeo
© GUIDO BISSATTINI / Shutterstock.com

Der Traum vom vergessenen Schatz

Scheunenfunde üben eine ganz spezielle Faszination aus. Insbesondere diejenigen, die ein solches Auto auffinden, erfasst die Begeisterung, ein Auto entdeckt zu haben, das lange nicht mehr auf der Straße stand. Doch was sind Scheunenfunde genau und was macht ihr Zauber aus?

Die fiktive Geschichte eines Scheunenfunds

Scheunenfunde - in der Vorstellung Fahrzeuge, die abgestellt und, wichtig, schließlich vergessen wurden. Lass uns ein Szenario zeichnen, wie wir uns einen solchen Fund ausmalen. Eine fiktive Kurzgeschichte:

Karl, Bauingenieur des Jahrgangs 1929, ist Teilhaber am deutschen Wirtschaftswunder. Nach der entbehrungsreichen Nachkriegszeit und dem Studium in der städtischen Universität erarbeitet er sich im Verlauf der 50er und 60er Jahren einen gewissen Wohlstand. Als Abteilungsleiter eines großen Bau-Unternehmens erfüllt er sich im Jahr 1961 einen lange gehegten Traum, fährt zum Mercedes-Benz Händler und ordert einen Mercedes 190 SL in seiner Wunschkonfiguration. Einige Monate später nimmt er das Fahrzeug mit Stolz entgegen. Fortan fährt er an schönen Tagen mit dem Mercedes zur Arbeit und hegt und pflegt ihn an freien Tagen. Eines September-Tages kommt es zum Desaster, so denkt er: Das Getriebe macht Probleme, der Wagen ist unfahrbar. Da der Mercedes im Winter sowieso nicht bewegt werden soll und andere Themen Priorität genießen, wird der Mercedes in den hinteren Teil der Scheune gestellt, ordentlich abgedeckt und stehen gelassen. Nachdem das Auto im nächsten Frühjahr nicht reaktiviert wurde, und Karl für eine Zeit im Ausland arbeiten wird, gerät das Cabrio wird es nicht repariert. Viele Jahre später verstirbt Karl, wenige Jahre später seine Frau und mit ihnen das Wissen um die Existenz des Wagens. Die Erben, die in einigen hundert Kilometern entfernt wohnen, haben nur ein geringes Interesse an Haus und Hof, kümmern sich für mehrere Jahre nicht um das Anwesen und entschließen sich schließlich im Jahr 2025 zum Verkauf. Sie fahren zum Haus. Im Wandschrank finden Sie einen Unterlagerstapel und Fotos von einem schönen Mercedes Cabrio. Sie schreiten durch den verwucherten Garten und treten schließlich in die darauf stehende Scheune - darin finden Sie, unter einem Baumwolltuch, einen roten Mercedes-Benz 190 SL mit 32.000 Kilometern. Die Reifen sind platt, doch das Fahrzeug sieht bemerkenswert gut aus. Ein großartiger Scheunenfund!

Diese Geschichte könnte sich genauso oder so ähnlich zugetragen haben. Im Kern beschreibt dies die Traumvorstellung des Scheunenfunds.

Heckansicht eines abgestellten US-Oldtimers in einer Garage
© Filippoff_by / Shutterstock.com

Die Definition eines Scheunenfunds

Was definiert Scheunen- oder Garagenfunde? Der Name impliziert zwei Bestandteile: Scheunenfunde wurden oft in Scheunen oder Garagen gelagert und dort gefunden. Doch in der Häufigkeit, in der von Scheunenfunden gesprochen wird, sollten wir da skeptisch sein.

Vergessen und gefunden oder nur abgestellt?

Die Geschichte vom wirklichen "Fund" ist spektakulär. Auch wenn diese Szenarien zweifelsohne existieren, ist ein anderes Szenario wohl bedeutend verbreiteter: Viele Fahrzeuge, die als "Scheunenfunde" bezeichnet werden, stammen nicht aus einer zufälligen Entdeckung, sondern aus dem nachweisbaren Kauf eines über längere Zeit abgestellten Wagens. Der Verkäufer weiß in der Regel, was er hat, und der Käufer erwirbt das Fahrzeug gezielt, um es zu konservieren oder zu restaurieren. Ein Fund durch den Besitzer ist also nicht der Regelfall, sondern eher eine, wenn das Fahrzeug ein besonders seltenes und teures Exemplar ist, medial sehr wirksame und dann auch oft präsente Besonderheit.

Bild eines Citroën in einer Garage
© StevenK / Shutterstock.com

 

Man kann die Thematik des Fundes allerdings auch von der Käuferseite beleuchten. Zwar ist die Geschichte dann nicht mehr ganz so romantisch, aber sie beschreibt das Auffinden dann wirklich authentisch: Ein Enthusiast findet rein zufällig oder in Gesprächen mit weiteren Personen heraus, dass eine weitere Person vor vielen Jahren ein Auto besessen und vermutlich eingelagert hat. Auf Vermittlung wird der Besitzer kontaktiert, der das Interesse am Auto verloren hat und es in der Folge nicht weiter beachtet hat. Er hat möglicherweise eine emotionale Verbindung zum Wagen, oder aber er gibt es bereitwillig ab.

Auffindesituationen in der Realität

"Echte" Scheunenfunde sind selten, denn ein Lagerort wie eine Garage, Scheune oder Halle wird in  der Regel immer mal wieder geöffnet und der Inhalt gesichtet. Ein besonderes Auto wird meist nicht ganz vergessen, sondern aus Gründen der mangelnden Fahrbereitschaft, der fehlenden Motivation zum Verkauf oder weil der Platz nicht anders genutzt werden muss, einfach stehen gelassen. Mehr als die Auffindesituation sollte das Wort eine Kategorisierung des Auffindezustandes und damit ein Zustandsbild des Oldtimers widerspiegeln: Die Fahrzeuge, die weitläufig als Scheunenfunde bezeichnet werden, sind schlicht Fahrzeuge, die lange nicht berührt wurden. Typisch sind die Bilder dicht verstaubter Autodächer und -scheiben, platt gestandener Reifen und manchmal leichter Korrosion, aber ohne die großen Schäden durch eine Lagerung im Freien. Der Klassiker wird oft überdeckt mit weiteren Gegenständen, Gartengeräte werden angelehnt. Wenn es dann doch an der Zeit ist, dass der Oldtimer den Besitzer wechselt, ist der Begriff schnell gewählt.

Bild eines mit Gegenständen zugestellten Scheunenfunds
© Koeppen Photo / Shutterstock.com

 

Scheunenfunde waren oft nicht ohne einen guten Grund abgestellt worden. Ist die Basis (Karosserie und Rahmen) beim Auffinden in guten Zustand, so war er es auch beim Abstellen gewesen. Oftmals traten technische Probleme vor dem Abstellen auf: Der Austausch des Motors nach einem Motorschaden wäre zu teuer gewesen oder der Radbremszylinder ist in Vor-Internet-Zeiten einfach nicht gefunden worden, weshalb man das Auto erstmal eingelagert hatte. Aus heutiger Sicht ist das ursprüngliche Problem dann ein verkraftbares, denn nach 30 Jahren Stillstand ist die Motorüberholung ohnehin ratsam und die Versorgung mit Oldtimerteilen entspannter als damals. Möglicherweise macht die Wertentwicklung des Modells aufwendigere Restaurationsarbeiten inzwischen lohnender.

Je nachdem, wann das Auto eingemottet wurde, zeigt sich eine wesentliche Besonderheit an Garagenfunden: Die Laufleistung kann sehr gering sein. Ist der Wagen vor der Stilllegung nur 20.000 Kilometer bewegt worden, dann ist das aus heutiger Sicht und beispielsweise nach 50 Jahren sehr wenig. Mit dann durchschnittlich 400 Kilometern im Jahr über die gesamte Fahrzeug-Lebensdauer ist das Fahrzeug im Schnitt weit weniger gefahren worden, als ein Oldtimer es heutzutage üblicherweise wird. Keine Seltenheit.

Was tun, wenn man einen Scheunenfund macht?

Solltest du in die glückliche Situation geraten, ein altes abgestelltes Auto zu entdecken, dass dich interessiert, sollst du hier einen kurzen Leitfaden für die ersten Schritte erhalten. Diese sind sowohl für die Entdecker, als auch für die Eigentümerseite relevant und helfen, die aufregende Situation zu ordnen:

  1. Sicherung des Fundes: Denke in einem ersten Schritt daran, die Auffindesituation zu festzuhalten. Mittels zahlreicher Bilder von Fahrzeug und Umgebung trägst du einen erheblichen Teil zur sorgfältigen Dokumentation bei. Weiter solltest du das Fahrzeug selbst vor weiteren Schäden durch z.B. Feuchtigkeit schützen.
  2. Rechtliche Aspekte klären: Abgeklärt werden muss insbesondere, wer der rechtmäßige Eigentümer des Fahrzeugs und der Örtlichkeit ist. Von besonderem Interesse kann das Erbrecht sein. Dokumente oder die Befragung von Nachbarn können einen ersten Aufschluss geben. Kläre auch, ob eine generelle Verkaufsbereitschaft besteht.
  3. Erste Bewertung: Führe eine erste Beurteilung des Zustands, des Modells, wichtiger Ausstattungsmerkmale und der Vollständigkeit durch.
  4. Experten hinzuziehen: Mit den gesammelten Informationen kannst du Experten konsultieren und nach Abstimmung mit dem Besitzer und bei Verkaufswunsch eine tiefe greifende gemeinsame Bewertung planen.

Mithilfe der obigen Schritte solltest du einen guten ersten Überblick zum vorliegenden Fahrzeug erhalten. Du kannst nun entscheiden, wie du verfährst, ob du selbst Interesse daran hast oder doch besser die Finger davon lässt und höchstens vermittelst. Solltest du eine eigene Kaufabsicht verspüren, so bitten wir dich fair dem Besitzer gegenüber zu handeln. Oftmals sind es Personen gehobenen Alters, die den tatsächlichen Wert ihres Fahrzeugs nur schwer abschätzen können.

US-Oldtimer im schlechten Zustand abgestellt in einer Scheune
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Berühmte Beispiele von spektakulären Scheunenfunden

Es gibt eine Reihe sehr bekannter Scheunenfunde in den vergangenen Jahren. Teilweise in Deutschland, zum Teil aber auch weltweit. Weil sie sich medienwirksam verbreiten lassen, finden sie auch Aufmerksamkeit in branchenfremden Illustrierten und anderen Formaten. Allen diesen Fällen ist gemein, dass die betreffenden Fahrzeuge einen besonders hohen Wert haben. Der Fund eines seltenen Horch aus der Vorkriegszeit lässt sich in der Bild-Zeitung besser vermarkten als das Auffinden eines Volkswagen Golf 1. Die Fahrzeuge landen als Highlights in international beachteten Oldtimer-Auktionen und werden manchmal für Rekordsummen versteigert. Immer mit der ganz besonderen, breit ausgetretenen Geschichte zum Fahrzeug und zum Fund. 

Ein gutes Beispiel ist der Fund des Porsche 901 durch die RTL2-Sendung "Trödeltrupp". Das Fahrzeug, das Porsche noch vor der (namensrechtlich geschuldeten) Umbenennung zum 911 im Jahr 1964 ausgeliefert wurde und die Fahrgestellnummer 57 trägt, wurde als Sensation im Fernsehen bekannt und schlussendlich für unglaubliche 107.000 €  in desolatem Zustand vom Porsche-Museum erworben. Es ist inzwischen voll restauriert, Teil des Porsche-Fundus.

Nach über 50 Jahren des Stillstands in einer Garage gelangte der Bugatti 57 SC Atalante des im Jahr 2007 verstorbenen Arztes Dr. Harold Carr mit lediglich 43.000 gefahrenen Kilometern in erstaunlich gutem Zustand an die Öffentlichkeit. Das Auto aus dem Jahr 1937 wurde im Jahr 2009 als Highlight einer Auktion für 3,4 Millionen Euro versteigert.

Der wohl berühmteste und umfangreichste Scheunenfund der Geschichte beinhaltete eine ganze Sammlung hochwertiger Klassiker. In einem Anwesen in Westfrankreich wurde die knapp 100 Fahrzeuge umfassende Sammlung des französischen Transportunternehmers Roger Baillon entdeckt. Die Fahrzeuge, darunter Ikonen wie ein Ferrari 250 GT SWB California Spider und ein Maserati A6 Gran Sport, waren über Jahrzehnte in Scheunen und unter improvisierten Dächern abgestellt und im Jahr 2014 als Baillon-Sammlung öffentlich bekannt. Viele der Fahrzeuge waren stark verrostet, aber komplett. Die Autos wurden in diesem Zustand versteigert und erzielten Schätzpreise in Millionenhöhe und erzielten einen Gesamterlös von über 20 Millionen Euro.

Diese und noch viele weitere Fälle spektakulärer Scheunenfunde beflügeln den Mythos der Scheunenfunde. Wir empfehlen eine Bildersuche in Google, um einen Blick auf die atemberaubenden Aufnahmen dieser Funde zu werfen.

Bild eines Ford Galaxy 500 unter einer Abdeckung
© JAIII Photography / Shutterstock.com

Scheunenfunde: Ein Fazit

Scheunenfunde sind eine aufregende Angelegenheit. Kein Zustand versprüht mehr Faszination als der beim Auffinden eines Klassikers nach langer Standzeit. Auch wenn der Fund sich meist nur auf Käuferseite abspielt, ergibt sich ein ganz besonderer Reiz dahinter. Aber auch manch ein Besitzer wurde positiv überrascht vom Wert dessen, was seit langer Zeit in Scheune oder Garage schläft.

Was könnte die nächste große Entdeckung werden? Um welchen Klassiker ranken sich die größten Mythen und wenn er je gefunden wird, wo könnte das sein? Fragen, die sich Enthusiasten überall auf der Welt stellen.

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